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"750-Jahr-Feier Lonsingen"

Ein Juwel feiert Jubiläum

Nur wer seine Wurzeln kennt, kann sich in der Gegenwart zurecht finden und in die Zukunft schauen. "Die Geschichte ist wichtig," betonte Landrat Thomas Reumann in seinem Grußwort zur 750-Jahrfeier in Lonsingen, "sie stiftet Identität".
Die erste urkundliche Erwähnung vor 750 Jahren haben die Lonsinger zum Anlass genommen, um einen ausführlichen Blick zurück in die Geschichte zu werfen, aber auch, um sich und die harmonische Dorfgemeinschaft gemeinsam zu feiern. Quicklebendig, engagiert, lebens- und liebenswert sei diese prächtige Ortschaft, so der Landrat. Zudem geschichtsbewusst, mit dem Festprogramm werde eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft geschlagen.

Auftritte und Albrevue

Neben dem Kinderhaus wurde ein großes Festzelt aufgebaut und viele Besucher sind am gestrigen Sonntag gekommen, um das bunte Programm zu erleben. Nach dem Gottesdienst folgte der offizielle Festakt, am Nachmittag war dann mit Spielstationen, Musik und der Albrevue der Traufgängerinnen etwas für jeden Geschmack und jedes Alter geboten. Es gab beste Verpflegung, und auch Kindergarten und Kinderchor hatten Auftritte vorbereitet.
Bürgermeister Florian Bauer freute sich über diesen "schönen Sonntag" mit dem das Jubiläum des Orts begangen wurde, immer wieder wurde der Festakt aufgepeppt durch Liedbeiträge des Gesangvereins Eintracht und eines Projektchors, der eigens zum Jubiläum gegründet worden ist. "Wir feiern heute ein Fest, das in Erinnerung bleiben wird", war Bauer sicher. Bereits vor einigen Wochen sind zwei Wanderungen rund um die Gemarkung angeboten worden und auch die Bilderausstellung, die von Wilfried und Elsbeth Maschke gemeinsam mit Susanne Wahl-Eder umgesetzt wurde, erlebt eine unglaubliche Nachfrage. Auch das dazugehörige Buch ist absolut gelungen, betonte Bauer.
Am Sonntagmorgen stand nun aber der Blick zurück im Mittelpunkt. Kreisarchivar Dr. Marco Birn hat sich mit der Geschichte des Orts befasst und dazu einen kurzweiligen, unterhaltsamen Vortrag erarbeitet. 1268 wird "Longesingen" zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt: Der Hof gehörte damals den Württembergern, Bertold und Albert von Neuffen schenkten ihn dem Kloster Offenhausen, was in den Klosterunterlagen verzeichnet worden ist. "Natürlich gab es den Ort schon früher", so Birn, "aber dies war der erste schriftliche Beweis für seine Existenz".
Eine zweite Urkunde, die Birn präsentierte, belegt, dass der einstige Schultheiß Klingler im Jahr 1383 in Urach einen Treueeid auf die Herrschaft ausgesprochen hat. Es folgen gute Jahre für den kleinen Flecken auf der Alb, Lonsingen ist der sechsreichste Ort im Land, die Bevölkerung hat ein schönes Leben. Doch dann kommt der Dreißigjährige Krieg und der zerstört den kompletten Ort, stürzt die Bewohner in Elend und Schulden. Viele Jahre dauert es, bis sie sich davon wieder erholen und die Häuser neu errichtet werden.

Streit mit den Nachbarn

Die geistliche Verwaltung lag übrigens schon früh in Gächingen, dort ist die Mutterkirche, Lonsingen ist die Filiale - und nicht immer ist es um das Verhältnis der beiden Nachbarn gut bestellt. Das liegt vor allem am Geld, so wehren sich die Lonsinger vehement dagegen, die Gächinger Kirche mitzufinanzieren. Es entwickelt sich ein Streit, der über viele Jahrzehnte andauert.
Nach diesem Ausflug in die Kirchengeschichte berichtete Birn von der baulichen Entwicklung, so wurde 1820 eine eigene Schule gebaut. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Wasserversorgung, denn die Brunnen reichen nicht mehr aus, nachdem die Einwohnerzahl auf 282 gestiegen ist. Mit diesem Problem ist Lonsingen nicht allein, weshalb man sich mit anderen umliegenden Orten zusammenschließt, um von der Georgenau aus eine Wasserleitung zu bauen. Weiter ging es im Vortrag mit der Lokalpolitik und das durchaus unterhaltsam. Hatte Birn doch ein kurioses Fundstück aus dem Jahr 1895 dabei, das belegt, dass so mancher Bürger seinen Unmut über die Gemeinderäte auf dem Stimmzettel vermerkte. Apropos Gemeinderäte: Die wurden in Lonsingen, ebenso wie die Bürgermeister, gerne aus den immer gleichen Familien gestellt. So stieß der Kreisarchivar auf sich stetig wiederholende Namen wie Munz, Bauder, Holder, Rapp oder Ostertag. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten sollte Lonsingen dann mit Gächingen zusammengelegt werden, und der Ort sollte von einem Beamten geleitet werden. Mit beiden Vorhaben scheiterten die Nazis, Lonsingen blieb selbstständig und der Bürgermeister wurde aus den eigenen Reihen gestellt. Erst im Zuge der Gemeindereform verlor Lonsingen seine Eigenständigkeit, wurde einer der sechs St. Johanner Ortsteile.
Lonsingen sei ein "Juwel auf der Alb", so der Kreisarchivar, ein Ort, der sich im Lauf der Jahre enorm gewandelt hat. Die einst stark landwirtschaftliche Prägung ist fast verschwunden: Waren 1961 noch 47 Prozent der Lonsinger in der Landwirtschaft aktiv, waren es 1987 weniger als fünf Prozent. Im 20. Jahrhundert gab es ebenfalls Themen, die bewegten, wie der Neubau der Kirche, der Ausbau der Ortsstraße oder die staatliche Anerkennung als Erholungsort. Erhellend und erheiternd war der Vortrag, der mit einer Bildershow endete. "Jetzt wissen wir endlich, warum wir so sind, wie wir sind", sagte Moderator Jochen Ostertag grinsend. Dem stand auch der weitere Verlauf des Festtags in nichts nach, ein würdiger Geburtstag für diesen sympathischen Flecken.

Südwestpresse, Anja Weiß
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